Freie Kliniken Bremen — Vierfach umsorgt

Zukunft der Stationären Pflege

»Eine Kultur der Wertschätzung lässt sich etablieren«

Das Thema Zukunft der stationären Pflege ist in Krankenhäusern allgegenwärtig. Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer Bremen, sieht die Zufriedenheit der Pflegenden als eine wichtige Kernaufgabe.

Interview: Christina Müller

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Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer Bremen

Gesundheit Bremen: Frau Heyduck, wie sieht die Situation der stationären Pflege in Bremen derzeit aus?
Elke Heyduck: Es ist leider keine Neuigkeit, dass wir in der Krankenpflege weiterhin große personelle Engpässe haben. Über 370 offene Stellen für Pflegefachkräfte sind bei der Agentur für Arbeit in Bremen gemeldet. Wenn Stellen nicht besetzt werden können, steigt die Arbeitsbelastung bei den aktuell Beschäftigten, zum Teil müssen Betten gesperrt werden. Und leider verlassen auch immer wieder Menschen den Beruf oder gehen wegen der hohen Belastung in Teilzeit – ein Teufelskreis. Hände in den Schoß legen ist allerdings keine Lösung! Der Pflegeberuf ist ein guter Beruf, wir sind der festen Überzeugung, dass man Menschen dafür (zurück-) gewinnen kann, wenn die Arbeitsbedingungen sich verbessern.

Was können/müssen die Arbeitgebenden tun, um die Situation aktuell wie langfristig aufzufangen/zu verbessern?
Arbeitgebende können vieles tun, um die Zufriedenheit zu erhöhen. Eine Kultur der Wertschätzung zum Beispiel, mit der sich Pflegekräfte in ihren Kompetenzen gesehen fühlen, lässt sich etablieren und sogar zertifizieren. Betriebsvereinbarungen – also feste Verabredungen – übers Ausfallmanagement oder den Springerpool machen die Dienstpläne verlässlicher. Auszubildende und diejenigen, die wieder einsteigen wollen in den Beruf, brauchen eine sehr gute Einarbeitung. Hierfür kann man Konzepte erstellen und Praxisanleiter:innen gesichert freistellen. Auch zur Personalbemessung kann man verbindliche Verabredungen treffen. Der Bund bereitet zwar gerade eine gesetzliche Personalbemessung vor, sie wird aber nicht für alle Bereiche gelten. Und auch Gefährdungsbeurteilungen sind ein gutes Instrument, um herauszufinden, was sich noch verbessern ließe.

Sind die Freien Kliniken hier auf dem richtigen Weg?
Jedes Projekt, das den Beschäftigten zeigt: Ihr seid unsere wichtigste Ressource, wir wollen für Euch etwas tun, ist gut! Denn eine Mischung aus stressigen Arbeitsbedingungen und zu wenig Wertschätzung ist gefährlich. Insofern sind die hier vorgestellten Projekte alle richtig. Wichtig ist: genau hinhören, was gebraucht wird – zum Beispiel über Befragungen. Dann ein möglichst umfassendes Konzept entwickeln und nicht nur isolierte Maßnahmen aufsetzen. Natürlich können einzelne Kliniken nicht Bundespolitik ersetzen. Diese muss weiter an der Verbesserung der Situation arbeiten – etwa durch die weitgehende Abschaffung der Fallpauschalen und eine Entökonomisierung des Gesundheitsbereichs. Gesundheit ist schließlich ein öffentliches Gut!
 
 


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Güzide Kadah

St. Joseph-Stift: Start für das Modellprojekt ›Ich pflege wieder, weil …‹

»Bis zu 1.500 Pflegekräfte könnten in Gesundheitseinrichtungen im Land Bremen zurückkehren, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Wie das gehen kann, erproben wir seit Februar mit dem bundesweit einmaligen Modellprojekt ›Ich pflege wieder, weil …‹ in unserer Geburtshilfe. Die Gesundheitssenatorin, die Arbeitssenatorin und die Arbeitnehmerkammer haben das auf vier Jahre angelegte Projekt angeschoben. Es gliedert sich in mehrere Bausteine, darunter eine Lageanalyse sowie Mitarbeitendenbefragungen. Darauf aufbauend sollen etwa Dienstvereinbarungen zur Personalbemessung und zum Ausfallmanagement angepasst, Fortbildungskonzepte entwickelt und die Einarbeitung verbessert werden. Schulungen für Führungskräfte, Supervisionen zum Gesunderhalt und die Implementierung kollegialer Beratung sollen Hebammen und Pflegekräften den Wiedereinstieg erleichtern.«

Güzide Kadah, Projektleiterin und Kinderkrankenschwester


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Markus Huber

DIAKO: 4-Tage-Woche für Pflegekräfte

»Um auch in den pflegerischen Berufen innovative Schichtmodelle anzubieten, planen wir, zunächst auf der Station 3A der Inneren Medizin und im Flexpool-Team, die 4-Tage-Woche für Pflegekräfte einzuführen. Voraussetzung für die Umsetzung ist neben dem Mut zur freiwilligen Teilnahme der Mitarbeitenden auch eine Aufstockung des Personals auf den Stationen und ein damit verbundenes verlässliches Ausfallmanagement. 39 Stunden pro Woche werden auf vier Tage umverteilt, wodurch sich die Arbeitszeit auf neun Stunden pro Schicht beläuft. Dadurch entstehen längere Überlappungszeiten zwischen den einzelnen Schichten, durch die kurzfristige Personalausfälle leichter gehandhabt werden können. Bei einem Engpass springen Mitarbeitende aus dem Flexpool ein. Im Rahmen der 4-Tage-Woche sind zwischen den Schichten bis zu acht freie Tage am Stück möglich.«

Markus Huber, Pflegedirektor


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Lena Geffken

Rotes Kreuz Krankenhaus (RKK): Generalistische Pflegeausbildung – Herausforderungen innovativ begegnen

»Mindestens zehn Prozent der praktischen Ausbildungszeit muss in gezielte Anleitung investiert werden. Dies wertet die Ausbildung deutlich auf: Mitarbeitende des Ausbildungsmanagements im RKK können so Anleitungsprozesse detaillierter planen und individueller an die Bedarfe der einzelnen Auszubildenden anpassen. Sie tun dies in enger Kooperation mit den Praxisanleiter:innen auf Station sowie mit den Schulen, die den theoretischen Unterricht vermitteln. Ziel ist es, dass die Azubis als neue Generation in den Teams wahrgenommen werden und Mitgestaltungsmöglichkeiten bekommen, zum Beispiel mit einem eigenen Instagramkanal und Azubi-Teamsitzungen. Vor allem aber sollen sie lernen, im Team zu arbeiten und fachliche Kompetenzen zur Erfüllung des vielseitigen und anspruchsvollen Berufs Pflegefachfrau/Pflegefachmann zu erlangen.«

Lena Geffken, Ausbildungsmanagement


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Jens Bergmann

Roland-Klinik: Expertise von Studierenden

»Die Pflege akademisiert sich immer mehr. Dieser fortschreitende Wandel betrifft nicht nur große Krankenhäuser, auch wir als Fachklinik profitieren von der Expertise der Studierenden. Der Internationale Studiengang an der Hochschule Bremen ermöglicht den Abschluss ›Bachelor of Science‹ und gleichzeitig die Zulassung als Pflegefachkraft. Wir fungieren ab diesem Jahr für zwei Studierende als Praxispartner und wollen diese nach ihrem Abschluss gerne weiter bei uns im Hause beschäftigen. Es gibt auch Mitarbeitende, die sich neben ihrer Ausbildung für ein aufbauendes Studium entscheiden, um für eine leitende Tätigkeit gerüstet zu sein. Für all diese Entwicklungen schaffen wir bei unserem bestehenden Personal Offenheit mit mehr Teamgesprächen und entsprechenden Fortbildungen.«

Jens Bergmann, Pflegedirektor

Gesundheit Bremen 36

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